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Wald.Wissen
Kurzgefasst

Strukturvielfalt und Mikroklima – Wie beeinflusst die Waldbewirtschaftung die Waldinnentemperatur

Blick in Baumkronen
#Mikroklima  #Waldbewirtschaftung  #Terrestrisches Laserscanning  #Waldstruktur  

Das Mikroklima in Wäldern reagiert auf Veränderungen der Bestandsstruktur infolge von Bewirtschaftung oder natürlicher Waldentwicklung. Die derzeitige Waldbewirtschaftung in Mitteleuropa und Nordamerika zielt darauf ab, die Strukturvielfalt von Waldbeständen zu fördern und die Waldbedeckung kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Dies wirkt sich auch auf das Mikroklima im Wald aus. In der Studie von Ehbrecht et al. (2019) wurden die Auswirkungen der Waldbewirtschaftung und der Strukturvielfalt auf die tägliche Temperaturschwankung (Diurnal Temperature Range = DTR) untersucht. Eine zunehmende strukturelle Heterogenität durch die Förderung der Baumgrößenvielfalt und -differenzierung erhöhte die vertikale Schichtung und führte zu einer abnehmenden DTR während der Vegetationsperiode und damit zu einheitlicheren mikroklimatischen Verhältnissen im Vergleich zu weniger strukturierten Waldbeständen. Die Unterschiede in der DTR zwischen Beständen unterschiedlicher Baumartenzusammensetzung konnten auf Unterschiede in der Überschirmung und der Lichtdurchlässigkeit zurückgeführt werden, während die Baumartenvielfalt keinen signifikanten Einfluss auf die DTR hatte. Unbewirtschaftete Wälder wiesen eine deutlich niedrigere DTR auf als bewirtschaftete, gleichaltrige Wälder. Die Strukturvielfalt wirkte sich vor allem unter trockenen Bedingungen auf das Mikroklima aus.

  • Wie kann die Waldbewirtschaftung indirekt das Waldmikroklima durch Veränderungen in der Bestandesstruktur beeinflussen?
  • Unterscheidet sich die Wechselwirkung zwischen Bestandesstruktur und Mikroklima zwischen Regionen mit unterschiedlichen Jahresmitteltemperaturen und Niederschlägen?

  • Das Mikroklima (= Waldinnenklima) wirkt sich auf die biologische Vielfalt sowie auf verschiedene Ökosystemfunktionen und -prozesse aus (Evapotranspiration, Zersetung und Produktivität der Bodenvegetation, Zersetzung von Totholz).
  • Die mikroklimatischen Bedingungen in einem Wald können durch seine räumliche Struktur beeinflusst werden. Diese wiederum kann durch die Waldbewirtschaftung verändert werden. Bewirtschaftungsstrategien und -richtlinien in Mitteleuropa und Nordamerika zielen aktuell darauf ab, die Strukturvielfalt in Wäldern zu fördern. Dabei werden in der Regel Kahlschläge vermieden und einschichtige und gleichmäßig alte Reinbestände in ungleichaltrige Mischbestände mit mehreren Kronendachschichten durch Einzelbaum- oder Gruppenentnahme umgewandelt.
  • Die Kronenöffnung ist dabei oft der wichtigste strukturelle Faktor für das Mikroklima im Wald. Die Baumschicht verändert die Menge und Intensität der Strahlung, die das Kronendach durchdringt, und wirkt sich somit auf den Energiehaushalt aus.
  • Um verstehen zu können, wie sich die prognostizierten Klimaveränderungen auf die biologische Vielfalt und die Ökosystemprozesse und -funktionen in bewirtschafteten Wäldern auswirken, ist ein tieferes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Bestandesstruktur und Mikroklima erforderlich, und wie diese durch die Waldbewirtschaftung beeinflusst werden können.
  • Die tägliche Temperaturschwankung (Daily Temperature Range = DTR), also der Unterschied zwischen maximaler und mininaler Temperatur, ist ein wichtiger Indikator für den Klimawandel und seine -variabilität. Dennoch wurden Beziehungen zwischen der Strukturvielfalt von Wäldern und der DTR unterhalb der Waldkronen bisher kaum untersucht.

  • Es wurden die Daten von 128 1 ha großen Versuchsflächen in drei Untersuchungsgebieten in Deutschland (Flächen der Biodiversitäts-Exploratorien) verwendet.
  • In den Versuchsflächen wurde von jedem Baum der Brusthöhendurchmesser (BHD) erfasst, wenn dieser mind. 7 cm betrug, die Baumposition relativ zur Flächenmitte aufgenommen sowie die Baumart erfasst.
  • Zusätzlich wurden neun systematisch verteilte einzelne terrestrische Laserscans (TLS) pro Untersuchungsfläche zwischen Juni und August 2014 (belaubter Zustand) durchgeführt. Hierfür wurde der terrestrische Laserscanner Faro Focus 3D 120 verwendet, um dreidimensionale Punktwolken zu erfassen. Dazu wurde der Laserscanner auf etwa 1,3 m Höhe über dem Boden montiert und deckte somit ein Sichtfeld von 360° horizontal und 300° vertikal ab (Abbildung 1).
Terrestrischer Laserscanner
Abbildung 1. Verwendeter Terrestrischer Laserscanner Faro Focus 3D 120.
  • Aus Waldinventurdaten wurde die Anzahl von Durchmesserklassen sowie Füldner‘s Index der Durchmesserdifferenzierung berechnet, die beide als Maße für die strukturelle Heterogenität (= Strukturvielfalt) angesehen werden. Index-Werte < 0.3 beschreiben eine geringe Durchmesserdifferenzierung, d. h. alle Baumindividuen haben eine ähnliche Dimension, Werte > 0.7 bis 1 beschreiben eine sehr starke Differenzierung, was auf plenterartige, ungleichaltrige Strukturen hindeutet.
  • TLS-Daten wurden zur Berechnung der vertikalen Schichtung, der Kronenöffnung und der Bestandshöhe genutzt. Für die vertikale Schichtung wird die sog. „Effektive Anzahl an Schichten“ quantifiziert, dies ist die Anzahl der 1 m dicken Schichten, die effektiv von Laub- und Gehölzbestandteilen eingenommen wird. Die Berechnung basiert auf dem von Bäumen eingenommenen Raum, der durch ein Voxelmodell mit Voxeln von 20 cm Seitenlänge beschrieben wird. Mit zunehmender Bestandshöhe und einer gleichmäßigeren Bewaldung entlang des vertikalen Verlaufs steigt die Anzahl der effektiven Schichten.
  • Die Baumartenvielfalt wurde basierend auf dem Anteil an der Grundfläche einer Art unter Verwendung des exponentiellen Shannon-Indexes berechnet.
  • In jeder Untersuchungsfläche wurde zudem die Lufttemperatur in 2 m Höhe über dem Boden in einminütigen Abständen mit einer mikrometeorologischen Station gemessen.
  • Die mittlere Tagesschwankungsbreite der Lufttemperatur (DTR), d. h. die Differenz zwischen dem Tagesmaximum und -minimum, für einen Zeitraum von 90 Tagen von Juni bis August 2014, 2015 und 2016 sowie von Dezember 2014 bis Februar 2015, 2015/16 und 2016/17 wurde berechnet. Für die statistischen Analysen wurden die mittleren DTR-Werte aus den drei untersuchten Jahren verwendet.

  • Zwischen der täglichen Temperaturschwankung (Daily Temperature Range DTR) im Sommer und verschiedenen Maßen der Strukturvielfalt konnten in allen drei Untersuchungsgebieten negative Korrelationen in der Vegetationsperiode festgestellt werden. Die Baumartenvielfalt hatte keinen Einfluss auf den DTR (Abbildung 2). Bestände mit hoher Strukturvielfalt puffern demnach Temperaturextreme ab.
Abbildung 2. Beziehung der Täglichen Temperaturschwankung im Sommer mit verschiedenen Wald-strukturmaßen. Eingezeichnete Linien zeigen signifikante Ergebnisse, n.s. = nicht signifikant (verändert nach Ehbrecht et al. 2019).
  • Der Einfluss der Strukturvielfalt (Anzahl Durchmesserklassen und Vertikale Schichtung) war zudem in der Schorfheide-Chorin mit geringsten Niederschlägen deutlich stärker als in der Region Hainich-Dün. Auf der Schwäbischen Alb mit den höchsten Sommerniederschlägen im Untersuchungszeitraum ergaben sich die wenigsten signifikanten Beziehungen.
  • Eine starke Kronenöffnung führte in allen drei Regionen zu einer höheren DTR, d. h. zu höheren Maximal- und niedrigeren Minimaltemperaturen.
  • Kronenöffnung und das regionale Klima waren insgesamt die wichtigsten Einflussfaktoren auf die DTR, dennoch hatten auch die Strukturmaße einen messbaren und signifikanten Effekt (siehe Abbildung 2). Dieser kann möglicherweise auf eine höhere Blattfläche oder eine gleichmäßigere Laubverteilung in strukturell vielfältigen Beständen zurückzuführen sein, die unabhängig von der Kronenöffnung ist. Mit mehr Durchmesserklassen in einem Bestand wird der dreidimensionale Raum im Allgemeinen gleichmäßiger von Laub und holzigen Bestandteilen entlang der vertikalen Achse eingenommen. So war die Zahl der Durchmesserklassen positiv mit der Zahl der vertikalen Schichten, die effektiv von Laub- und Holzbestandteilen besetzt waren, korreliert.
  • Die DTR war in unbewirtschafteten Beständen im Hainich am niedrigsten und in Altersklassenwäldern am höchsten (Abbildung 3). Obwohl sich der mittlere DTR-Wert zwischen den Bewirtschaftungssystemen Altersklassenwald und Plenterwald nicht signifikant unterschied, zeigte sich, dass eine Altersklassenwaldwirtschaft zu wesentlich höheren Maximalwerten und einer größeren Schwankungsbreite der DTR führen kann als eine ungleichmäßige Bewirtschaftung. Dies lässt sich auf die verschiedenen untersuchten Altersklassen im Altersklassenwald zurückführen, die von wenig strukturierten Dickungen (hohe DTR) bis zu stärker strukturierten Altbeständen (geringe DTR) reichen, vor allem nach Hochdurchforstungen und einer Etablierung von Naturverjüngung (siehe Methodenpapier). Die geringen Werte in den unbewirtschafteten Beständen lassen sich vorrangig auf die geringe Kronenöffnung zurückführen.
Abbildung 3. Mittlere tägliche Temperaturschwankung im Sommer in drei Bewirtschaftungssystemen in der Region Hainich-Dün. Unterschiedliche Kleinbuchstaben zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Bewirtschaftungsssystemen (verändert nach Ehbrecht et al. 2019).
  • In den Regionen Hainich-Dün und Schorfheide-Chorin konnten Unterschiede in der DTR zwischen Beständen mit verschiedenen Hauptbaumarten festgestellt werden (Abbildung 4). Buchenbestände wiesen i.d.R. die geringsten DTR-Werte auf, Kiefernbestände die höchsten. Die Lichttransmission durch das Kronendach und die Albedo der Kronendachoberflächen unterscheiden sich zwischen den Hauptbaumarten, was sich auf die Erwärmung der Oberflächen unter dem Kronendach und damit auf die DTR auswirken kann.
Abbildung 4. Mittlere DTR in Beständen die von unterschiedlichen Baumarten dominiert sind in den drei Regionen. Unterschiedliche Kleinbuchstaben zeigen signifikante Unterschiede. aLh = andere Laubholzar-ten mit hoher Lebensdauer.

  • Das Waldinnenklima kann durch die Waldbewirtschaftung und durch Veränderungen der Bestandsstruktur beeinflusst werden. Durch bestimmte Bewirtschaftungsansätze kann die Strukturvielfalt gefördert werden, was Temperaturextreme abpuffert.
  • So sind Bestände, die plenterartig bewirtschaftet werden in der Regel strukturell heterogener als gleichaltrige Bestände, da sie eine ausgeprägte vertikale Schichtung und eine große Vielfalt an Baumgrößen aufweisen. Dies reduziert möglicherweise die Menge der einfallenden kurzwelligen Sonnenstrahlung aufgrund der größeren Blattfläche, was die Erwärmung der Lufttemperatur unter oder innerhalb des Kronendachs abpuffert. Homogene Altersklassenwälder zeigen dagegen, je nach betrachteter Altersklasse, deutliche Schwankungen im Mikroklima.
  • Für die Biodiversität bedeuten die Ergebnisse, dass Artengruppen, die auf ein ausgeglichenes Waldinnenklima und somit auf eine gewisse Habitatkontinuität angewiesen sind, von einer hohen Strukturvielfalt im Wald profitieren. Wärmeliebende Arten profitieren dagegen eher von einem offenen Kronendach und stärkeren täglichen Temperaturschwankungen, wie sie im Altersklassenwald (siehe Schall et al. 2018) oder auch in Kiefernwäldern gemessen wurden.
  • Der Einfluss der Waldstruktur auf das Mikroklima war in trockeneren Regionen stärker ist als in feuchteren. Eine höhere Bodenfeuchte führt an wärmeren Tagen zu höherer Verdunstung, was möglicherweise stärker auf das Mikroklima wirkt und Extreme abpuffert als die Waldstruktur. Die Ergebnisse zeigen daher, dass gerade unter trockener werdenden Bedingungen im Zuge des Klimawandels, einer Waldbewirtschaftung, die strukturreiche Bestände schafft, eine besondere Bedeutung zukommt, auch um Waldarten, die an ein ausgeglichenes Mikroklima angewiesen sind, weiterhin Lebensraum zu bieten.
  • Terrestrisches Laserscanning bietet die Möglichkeit Waldstrukturen schnell zu erfassen und mikroklimatische Bedingungen abzuschätzen, insbesondere durch die Maße Kronenöffnung und vertikale Schichtung. Dadurch kann zukünftig auch die Habitateignung von Beständen bewertet werden.

  • Während die tägliche Temperaturspanne im Freiland bekanntermaßen hauptsächlich durch Bewölkung, Wasserdampf und Niederschlag beeinflusst wird, wurden Beziehungen zwischen Strukturvielfalt und der Tagestemperaturspanne unterhalb der Waldkronen bisher kaum untersucht.
  • Frühere Studien konzentrierten sich eher auf kontrastierende Landnutzungstypen. Unterschiede im Mikroklima wurden dabei meist auf Unterschiede in der Überschirmung zurückgeführt, wobei geschlossene Wälder häufig niedrigere Tageshöchsttemperaturen und niedrigere Tagestemperaturbereiche aufwiesen als z. B. Waldränder oder offene Standorte.
  • Die vorliegende Studie verbessert das Verständnis dafür, wie die Waldbewirtschaftung indirekt das Waldmikroklima durch Veränderungen der Bestandsstruktur beeinflusst. Außerdem war es möglich die Wechselwirkungen zwischen Bestandesstruktur und Mikroklima zwischen Regionen mit unterschiedlichen Jahresmitteltemperaturen und Niederschlägen zu untersuchen, was Auswirkungen auf Bewirtschaftungsentscheidungen im Hinblick auf den Klimawandel hat, da die Waldstruktur unter trockeneren und wärmeren Bedingungen einen stärkeren Einfluss hatte.
  • Die Studie berücksichtigte die Jahre 2014 bis 2017, so dass keine Aussagen über die Trockenjahre ab 2018 und den Einfluss auf das Mikroklima möglich sind.
  • Die Ergebnisse gelten im Rahmen des in den Biodiversitäts-Exploratorien untersuchten Bewirtschaftungsgradienten (siehe Methodenpapier), der repräsentativ ist für Mitteleuropa.

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