Loading...
Wald.Wissen
Kurzgefasst

Schirmschlagbetrieb oder plenterartige Bewirtschaftung? – Der Effekt auf die Biodiversität hängt von der räumlichen Skala ab

Abbildung: Das Foto zeigt in einem herbstlichen Wald von unten nach oben fotografiert mehrere Rotbuchen vor blauem Himmel, deren Kronen fast keine Blätter mehr tragen.
#Artenvielfalt  #Plenterwald  #Wald  

Die Frage, wie sich Betriebsform und damit verbunden die Altersstruktur (gleich- oder ungleichaltrig) auf die Biodiversität von Buchenwäldern auswirken, hängt maßgeblich von der räumlichen Skala ab, die betrachtet wird. Die Biodiversität auf der Bestandesebene allein gibt nur ein unvollständiges Bild der Artenvielfalt. So zeigt die Studie von Schall et al. (2018), dass ungleichaltrige Buchenplenterwälder auf Bestandesebene zwar sehr struktur- und artenreich sein können (hohe Alpha-Diversität). Aufgrund einer geringeren Variabilität zwischen den einzelnen Waldbeständen (Beta-Diversität) sind sie in der Summe auf Landschaftsebene (Gamma-Diversität) jedoch artenärmer als die Summe unterschiedlich alter Buchenbestände eines Schirmschlagbetriebes. Dies deutet darauf hin, dass eine Waldbewirtschaftung, die auf Landschaftsebene unterschiedlichste Waldstrukturen, Betriebsformen, Bewirtschaftungsintensitäten und damit unterschiedlichste Umweltbedingungen schafft, die Biodiversität unserer Wälder sehr wahrscheinlich am meisten fördert. Unbewirtschaftete Wälder sind dabei ein wichtiger Bestandteil vielfältiger Waldlandschaften.

Einige der wichtigsten Ergebnisse dieser Studie finden sich auch in der deutschsprachigen Publikation „Waldbewirtschaftung und Biodiversität: Vielfalt ist gefragt!“ von Christian Ammer, Peter Schall, Martin M. Goßner, Markus Fischer, Steffi Heinrichs, Steffen Boch, Daniel Prati, Kirsten Jung, Vanessa Baumgartner, Stefan Blaser, Stefan Böhm, François Buscot, Rolf Daniel, Kezia Goldmann, Kristin Kaiser, Tiemo Kahl, Markus Lange, Jörg Müller, Jörg Overmann, Swen C. Renner, Ernst-Detlef Schulze, Johannes Sikorski, Marco Tschapka, Manfred Türke, Wolfgang W. Weisser, Bernd Wemheuer, Tesfaye Wubet, AFZ-Der Wald 17/2017.

Welchen Einfluss hat die Altersstruktur von Buchenwäldern – bzw. haben plenterwaldartig bewirtschaftete Buchenwälder im Vergleich zu im Schirmschlagbetrieb bewirtschaftete Buchenwälder auf die Biodiversität verschiedener Artengruppen?


  • In der Exploratorien-Region Hainich-Dün wurde die Artenvielfalt von 15 unterschiedlichen Artengruppen in 13 Plenterwaldbeständen und 17 Beständen des Altersklassenwaldes jeweils auf einer Fläche von einem Hektar untersucht. Die Altersklassenwälder umfassten dabei Dickungen, Stangenholz, schwaches und starkes Baumholz sowie Dickungen mit Überhältern (Schirm).
  • Die Artengruppen Gefäßpflanzen, Vögel, Fledermäuse, Spinnen, Käfer und Wanzen wurden in die Kategorien Waldspezialisten und Nicht-Waldspezialisten unterteilt.
  • Käfer, die häufigste und artenreichste Artengruppe, wurden zusätzlich nach Gefährdungsgrad, Körpergröße und Totholzbindung untersucht.
  • Es wurden der Artenreichtum innerhalb der Bestände (= lokale Diversität oder Alpha-Diversität), der Artenwechsel zwischen den Beständen (Beta-Diversität) und der regionale Artenreichtum über alle Bestände (Gamma-Diversität) innerhalb eines Bewirtschaftungssystems untersucht und zwischen den Systemen verglichen.
  • Um abzusichern, dass Ergebnisse nicht nur auf wenig frequente Arten im Datensatz zurückzuführen sind, deren Auftreten in nur einem Bewirtschaftungssystem bzw. nur einer Altersklasse zufallsbedingt sein kann, wurden auch Vielfaltsmaße bzw. Biodiversitätsmaße untersucht, die häufig auftretende Arten stärker gewichteten.

  • Der regionale Artenreichtum (Gamma-Diversität) war im Schnitt über alle Artengruppen ca. 12 % höher im Altersklassenwald als im Plenterwald. Für Waldspezialisten lag der Unterschied bei 16 % (Abbildung 1).
  • Eine signifikant höhere Gamma-Diversität im Altersklassenwald wiesen Gefäßpflanzen, Käfer, Spinnen und Flechten auf, soweit untersucht gilt dies auch für Waldspezialisten (Abbildung 1). Bakterien (basierend auf isolierter DNA) waren artenreicher im Plenterwald.
  • Die gleichgerichtete Reaktion von Produzenten (Gefäßpflanzen), Pflanzenfressern (z. T. Käferarten) und Räubern (Spinnen) deutet darauf hin, dass die Bodenvegetation ein wichtiger Treiber der Biodiversität in Wäldern ist.
  • Bei einer stärkeren Gewichtung von häufig vorkommenden Arten zeigten auch Vögel und Weberknechte eine höhere Gamma-Diversität in Altersklassenwäldern.
  • Auch an Totholz gebundene Käfer wiesen im Altersklassenwald eine höhere Gamma-Diversität auf.
  • Die höhere Gamma-Diversität im Altersklassenwald wurde vorrangig durch den Artenwechsel zwischen den Beständen (Beta-Diversität) getrieben (Abbildung 1), die sich im Altersklassenwald durch höhere Schwankungen in den Umweltbedingungen (z. B. der Lufttemperatur) auszeichnen.
  • Die Bedeutung der Beta-Diversität wird bei der Artengruppe der Vögel deutlich, die in den einzelnen Plenterwaldbeständen lokal artenreicher waren, sich aber, im Gegensatz zu den Beständen im Altersklassenwaldes, durch einen geringen Artenwechsel zwischen Beständen auszeichneten.
Abbildung: Das Schaubild zeigt zwölf Diagramme zur Abundanz, Alpha, Beta und Gamma-Diversität von fünfzehn  untersuchten Artengruppen von Altersklassenwald und Plenterwald im Vergleich. Bei den Artengruppen handelt es sich um Netzflügler, Bakterien, Ektomykorrhiza, Totholzpilzen, Wanzen, Fledermäusen, Käfer, Moose, Weberknechte, Spinnen, Vögel, Hautflügler, Gefäßplanzen, Flechten.
Abbildung 1: Abundanz, Alpha-, Beta- und Gamma-Diversität (jeweils ohne eine stärkere Gewichtung häufiger Arten) der 15 untersuchten Artengruppen von Altersklassenwald und Plenterwald im Vergleich. Die Skala auf der x-Achse zeigt die Richtung der Unterschiede an. Säulen, die nach links zeigen (Werte < 100), weisen auf geringere, Säulen, die nach rechts zeigen (Werte > 100), auf höhere Werte im Plenterwald hin. Signifikante Unterschiede sind durch ein Sternchen gekennzeichnet. Dargestellt sind die Ergebnisse für alle Arten (a-d) und für diejenigen Artengruppen, für die Waldartenlisten vorliegen. Für diese erfolgte eine getrennte Darstellung nach Waldspezialisten (e-h) und Nicht-Waldspezialisten (i-l). TG -12 % bedeutet, dass über alle Artengruppen hinweg im Plenterwald 12 % weniger Arten vorhanden sind als im Altersklassenwald; bei SP werden bei der Mittelbildung die Artengruppen entsprechend ihrer Artenzahl gewichtet.

  • Ein Mosaik unterschiedlicher Altersklassen auf der Landschaftsebene fördert die regionale Biodiversität in Buchenwirtschaftswäldern.
  • Eine hohe kleinflächige Strukturvielfalt innerhalb eines Bestandes, wie sie in Plenterwäldern zu finden ist, treibt die lokale Biodiversität nicht an (Ausnahme Vögel) und kann auf Landschaftsebene zu einer Homogenisierung zwischen Beständen und daraus folgend auch zu einem Rückgang des regionalen Artenreichtums führen.
  • Durch unterschiedliche Waldbehandlungen auf Bestandesebene kann eine Heterogenität von Umweltbedingungen erzeugt werden, die den regionalen Artenreichtum über verschiedene Organismengruppen hinweg fördern kann.
  • Ein durch Bewirtschaftung geschaffenes Mosaik unterschiedlicher Bestandesstrukturen sollte zudem durch ein Netz unbewirtschafteter Wälder, die sich z. B. hinsichtlich totholzzersetzender Pilze, Flechten und Moose als besonders artenreich erwiesen, ergänzt werden und so langfristig zum Erhalt der Artenvielfalt unserer Wälder beitragen.

  • Die Ergebnisse gelten für Buchenwälder auf nährstoffreichen Böden mit einer gut ausgeprägten Bodenvegetation, für Bestandesgrößen in Altersklassenwäldern von ca. 10 ha, und für Umtriebszeiten von ca. 120 bis 140 Jahren.
  • Ob die Ergebnisse auch für bodensaure Buchenwälder, größere Bestände, andere Baumarten und kürzere Umtriebszeiten gelten, kann anhand der Untersuchungsflächen der Biodiversitäts-Exploratorien nicht untersucht werden. Ergebnisse aus anderen Regionen und Waldtypen bestätigen jedoch die hier dargestellten Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
  • Da kein Gradient zwischen einzelbaumweiser und bestandesweiser Waldbewirtschaftung untersucht wurde, lässt die Studie keine Schlüsse über die optimale Größe und Verteilung (Körnung) unterschiedlicher Bewirtschaftungseinheiten zu.

Icon Kurzgefasst
Top