Kurzgefasst
Daten der Biodiversitäts-Exploratorien belegen die Multifunktionalität der Wälder in Deutschland
Die Wirtschaftswälder in Deutschland erfüllen verschiedene Funktionen und stellen bereits aktuell eine Vielzahl von Ökosystemleistungen bereit. Die Analyse der Beziehung von Bestandeseigenschaften und Indikatoren für verschiedene Ökosystemleistungen auf den Flächen der Biodiversitäts-Exploratorien und die Übertragung auf die Daten der dritten Bundeswaldinventur ergab aber, dass eine Multifunktionalität nur auf der Landschaftsebene zu erreichen ist. Einige Ökosystemleistungen zeigten deutliche Trade-offs (z. B. Produktivität und Temperaturregulation) und können demnach nicht innerhalb eines Waldtyps in gleichem Maße erreicht werden. Nur durch das Nebeneinander von Waldtypen, die sich durch unterschiedliche Bestandeseigenschaften, vor allem aber durch eine unterschiedliche Baumartenzusammensetzung auszeichnen, können multifunktionale Waldlandschaften entstehen. Dies erfordert für die zukünftige Planung realistische Zielsetzungen und eine Koordination über die Bestandesebene hinaus. Der Fokus auf Produktivität allein führt nicht zu einer multifunktionalen Waldlandschaft.
Der Anspruch an den Wald, vielfältige Funktionen auch für den Menschen zu erfüllen, nimmt stetig zu. Dabei stehen verstärkt auch regulierende und kulturelle Ökosystemleistungen im Fokus.
Durch die Verknüpfung der Daten der Biodiversitäts-Exploratorien mit den Daten der dritten Bundeswaldinventur (BWI 3) sollte die Multifunktionalität bewirtschafteter Wälder in Deutschland bewertet werden.
- Im Rahmen der Biodiversitäts-Exploratorien werden 150 Waldflächen (je 1 ha Größe) in drei Regionen Deutschlands untersucht. Die Waldflächen bilden einen Bewirtschaftungs- und Baumartengradienten von Nadelholzreinbeständen (Kiefer und Fichte) bis hin zu Buchenwäldern, in denen die Holznutzung in den letzten Jahrzehnten eingestellt wurde, ab (mehr zu den Methoden der Biodiversitäts-Exploratorien).
- Auf den Waldflächen wurden verschiedene Parameter erfasst, die beispielhaft als Indikatoren für die Bereitstellung verschiedenster Ökosystemleistungen genutzt werden können. Die Parameter können in drei Hauptkategogrien nach Einteilung des IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platfrom on Biodiversity and Ecosystem Services; https://www.de-ipbes.de/) eingeordnet werden:
- Regulierende Leistungen für den Menschen: Kohlenstoffspeicherung in Bäumen, Bodenkohlenstoff, Temperaturregulierung im Bestand als Maße für die „Regulierung des Klimas“; Wurzel- und Dungabbau, Nitrifikation, Phosphorverfügbarkeit, Vielfalt von Mykorrhiza- und Zersetzerpilzen als Maß für „Bodenbildung und Bodenschutz“; der Anteil an Schädlingen (Ambrosia-Käfer) im Verhältnis zu ihren Antagonisten beschreibt die Schädlingsabwehr als Maß für die „Regulierung von Organismen“
- Materielle Leistungen für den Menschen: Vielfalt essbarer Pilze und Deckung essbarer Pflanzen als Maß für „Nahrungsmittel“; Produktivität der Wälder (Holzproduktion) als Maß für „Materialien (Holz und Baumwolle)“
- Immaterielle Leistungen für den Menschen: Deckung kulturell wertvoller Pflanzen (= ästhetische Blütenpflanzen oder Arzneipflanzen) und Vogelartenreichtum als Maße für „Lernerfahrungen abgeleitet aus indigenem und lokalem Wissen“
- In einem ersten Schritt wurde mit Hilfe linearer Modelle die Beziehung zwischen den genannten Indikatoren und unterschiedlichen Waldmaßen, die ebenfalls auf den 150 Flächen erhoben wurden, geprüft. Es wurden dabei nur Waldmaße berücksichtigt, die auch im Rahmen der Bundeswaldinventur erhoben werden, darunter: der Nadelholzanteil, die Kronenschirmfläche, die Baumartenvielfalt, der mittlere Brusthöhendurchmesser (BHD), die Schwankungsbreite des BHD, der Buchenanteil in der Verjüngung, die Anzahl und Gleichverteilung der Gehölzarten und junger Bäume in der Verjüngung, das Totholzvolumen und die Totholzvielfalt. Andere Maße wie die Grundfläche oder die Bestandesdichte zeigten enge Korrelationen mit den bereits genannten Maßen und wurden nicht berücksichtigt. Als Umweltfaktoren gingen die Bodentiefe, der Schluffanteil, sowie Hangneigung und -exposition in die Modelle ein.
- In einem zweiten Schritt wurden die Punkte der BWI 3 ausgewählt. Waren mindestens 40 Punkte einer bestimmten Baumartenkombination innerhalb von forstlichen Wuchsgebieten vertreten, wurden diese zu Waldtypen zusammengefasst. Voraussetzung war, dass die Punkte mit Umweltkarten verknüpft werden konnten und sie die Baumartenzusammensetzung der Biodiversitäts-Exploratorien widerspiegelten. Insgesamt wurden 7426 Inventurpunkte zu 53 Waldtypen zusammengefasst (Abbildung 1). Waldmaße und Umweltvariablen wurden über diese Waldtypen gemittelt.
- In einem letzten Schritt wurden die Ökosystemleistungs-Indikatoren für die BWI-Waldtypen mit Hilfe der linearen Modelle aus Schritt 1 vorhergesagt.
- Waldmaße und Umweltfaktoren, ermittelt auf den Flächen der Biodiversitäts-Exploratorien, beeinflussten unterschiedliche Indikatoren. Für die Kronenschirmfläche konnte z. B. eine positive Beziehung mit dem Kohlenstoffgehalt der Bäume und der Temperaturregulation im Bestand nachgewiesen werden und eine negative mit der Nitrifikation und der Deckung essbarer Pflanzen. Der Nadelholzanteil erhöhte die Produktivität. Schluffanteil, Bodentiefe, Nadelholzanteil und Durchmesserverteilung zeigten die meisten Zusammenhänge (positiv oder negativ) mit den Indikatoren für Ökosystemleistungen.
- Die Anwendung dieser Beziehungen auf die Waldtypen der BWI zeigte eine enge Beziehung von Baumartenzusammensetzung und potentieller Bereitstellung von Ökosystemleistungen. So wiesen Fichtenwälder potentiell mehr Wurzelabbau, einen höheren Anteil essbarer Pflanzen (z. B. Brombeeren oder Heidelbeeren), eine höhere Produktivität und eine artenreichere Zersetzergemeinschaft auf, während Buchenwälder durch eine höhere Fähigkeit zur Klimaregulierung und Nitrifikation gekennzeichnet waren. Einige Ökosystemleistungen zeigten deutliche Trade-offs und können innerhalb eines Waldtyps nicht gleichzeitig erreicht werden.
- Die Baumartenzusammensetzung hatte insgesamt einen stärkeren Einfluss auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen als großräumige Unterschiede in Umweltbedingungen mit Ausnahme der ausgedehnten Kiefernwälder im Tiefland auf sandigen Böden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Forstwirtschaft bei der Bereitstellung von Ökosystemleistungen.
- Im regionalen Vergleich wird der Einfluss der unterschiedlichen Baumartenzusammensetzung deutlich. So zeigte Norddeutschland z. B. eine höhere Produktivität, Süddeutschland dagegen eine größere Heterogenität an potentiellen Ökosystemleistungen und gleichzeitig auch eine höhere Variation an Waldtypen (Abbildung 2).
- Mit Hilfe von Waldinventurdaten kann die potentielle Bereitstellung von Ökosystemleistungen vorhergesagt werden.
- Die Verknüpfung der Daten der Biodiversitäts-Exploratorien und der BWI 3 belegen die Multifunktionalität der bewirtschafteten Wälder in Deutschland insgesamt.
- Diese wird aber nur durch das Nebeneinander von Waldtypen erreicht, die sich durch unterschiedliche Bestandeseigenschaften, vor allem aber durch eine unterschiedliche Baumartenzusammensetzung auszeichnen.
- Für die zukünftige Forstplanung sind demnach realistische Zielsetzungen notwendig. Eine Multifunktionalität, die alle Aspekte gewünschter Ökosystemleistungen abdeckt, kann auf der Bestandesebene nicht erreicht werden, sondern nur durch koordinierte Planungen auf der Landschafts- bzw. Revierebene, die auch den Bedarf an Ökosystemleistungen vor Ort berücksichtigt. Der Fokus auf Produktivität allein führt nicht zu einer multifunktionalen Waldlandschaft.
- Durch die strenge Auswahl der berücksichtigten Inventurpunkte und die Eingrenzung der Waldtypen wurde sichergestellt, dass die Vorhersage der Bereitstellung der Ökosystemleistungen durch die Daten der Biodiversitäts-Exploratorien zuverlässig ist. Sie bleibt dadurch jedoch weitestgehend auf die durch die Biodiversitäts-Exploratorien abgedeckten Waldtypen beschränkt (siehe Methodenpapier).
- In der hier vorgestellten Studie wurde lediglich die potentielle Bereitstellung von Ökosystemleistungen ermittelt, jedoch ohne den tatsächlichen Bedarf bzw. die tatsächliche Nutzung dieser Leistungen in den verschiedenen Wuchsgebieten oder die Risiken, die mit einzelnen Waldtypen verbunden sind, zu berücksichtigen. Diese Informationen sollten für Planungsprozesse herangezogen werden.
- Die betrachteten Ökosystemleistungen decken nicht alle Beiträge der Natur für den Menschen ab. Indikatoren für die Regulierung des Wasserhaushalts oder Aspekte wie die Jagd konnten nicht in die Studie integriert werden.
Verwandte Themen: siehe “kurzgefasst” Felipe-Lucia et al. 2018