Kurzgefasst
Die Hainbuche fördert die Artenvielfalt totholzgebundener Käfer
Die Bedeutung von Totholz für die Artenvielfalt im Wald ist bekannt. Dennoch sind noch viele Fragen zur Spezialisierung der Fauna auf bestimmte Baumarten oder zum Einfluss der Umgebungsbedingungen inklusive der Baumartenzusammensetzung und der Art der Bewirtschaftung auf die Artenvielfalt im Totholz offen. In einem langfristig angelegten Totholz-Experiment im Rahmen der Biodiversitäts-Exploratorien wurden 13 unterschiedliche Baumarten gleicher Herkunft und Dimension in bewirtschafteten Buchenwäldern, in bewirtschafteten Nadelwäldern und in unbewirtschafteten Buchenwäldern ausgebracht. Mit Fallen wurden alle sich im Totholz entwickelnden Käferarten erfasst.
Die Ergebnisse in den ersten drei Jahren des Experiments zeigen, dass totholzgebundene Käferarten auf bestimmte Baumarten spezialisiert sind. Als besonders artenreich erwies sich die Hainbuche in Kombination mit Fichte oder Kiefer unabhängig vom umgebenden Bestand. Das Belassen von Nebenbaumarten kann demnach wichtiger sein als das Anreichern großer Mengen der dominanten Baumart Buche unabhängig von der Baumartenzusammensetzung oder Bewirtschaftung. Ein lichteres Kronendach wirkte sich insgesamt positiv auf die Artenvielfalt aus, so dass vielfältiges Totholz insbesondere in Lücken oder sonnenexponierten Bereichen belassen werden sollte.
Ein Viertel aller Waldarten ist an Totholz gebunden, aber viele Fragen sind noch offen z. B. hinsichtlich der Spezialisierung von totholzgebundenen Käfern auf bestimmte Baumarten oder welchen Einfluss Umgebungsbedingungen auf die Artenvielfalt haben. In der Veröffentlichung von Gossner et al. (2016) wurden folgende Fragen untersucht:
- Wie unterscheiden sich die Artengemeinschaften zwischen unterschiedlichen Baumarten zu Beginn der Totholzzersetzung?
- Welche Baumart oder Kombination unterschiedlicher Baumarten führt zur höchsten Artenvielfalt in einem Bestand?
- Wie wirken sich Waldbewirtschaftung und Umweltbedingungen auf die Artenvielfalt der holzgebundenen Käfer aus?
- Das Langzeit-Totholzexperiment der Biodiversitäts-Exploratorien („BELongDead“ = Biodiversity Exploratories Long-term Deadwood experiment) wurde 2009 auf insgesamt 30 Untersuchungsflächen im Wald (9 Flächen auf der Schwäbischen Alb, 12 Flächen in der Region Hainich-Dün und 9 Flächen in der Schorfheide-Chorin) eingerichtet.
- Die ausgewählten Flächen repräsentieren drei Bewirtschaftungskategorien: seit einigen Jahrzehnten unbewirtschaftete buchendominierte Wälder, bewirtschaftete Buchenwälder und bewirtschaftete Nadelwälder.
- Auf jeder Untersuchungsfläche wurden Totholzstämme von 13 verschiedenen Baumarten ausgebracht (mit je 3 Wiederholungen). Die Stämme waren ca. 4 m lang und hatten einen mittleren Durchmesser von ca. 31 cm. Folgende Baumarten wurden berücksichtigt: Ahorn-Arten (Acer), Hängebirke (Betula pendula), Hainbuche (Carpinus betulus), Rotbuche (Fagus sylvatica), Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Europäische Lärche (Larix decidua), Fichte (Picea abies), Waldkiefer (Pinus sylvestris), Pappel-Arten (Populus spec.), Vogelkirsche (Prunus avium), Douglasie (Pseudotsuga menziesii), Eichen-Arten (Quercus spec.), Linden-Arten (Tilia spec.). Alle Stämme stammten aus Thüringen.
- An den Stämmen wurden Fallen installiert, die alle aus den Stämmen hervorgehenden Insekten auffangen. Fallen wurden von 2010 bis 2012 monatlich von März bis Oktober geleert. Jedes Jahr wurden die Fallen um 35 cm am Stamm entlang verschoben.
- Neben der Baumart, der Untersuchungsregion und der Bewirtschaftungskategorie wurden als weitere mögliche Einflussvariablen das Mikroklima (Bestandestemperatur und Kronendeckung) und das Totholzvolumen pro Untersuchungsfläche erfasst. Mit Hilfe linearer Regressionsmodelle wurde ihr Einfluss auf die Artenvielfalt und Artengemeinschaft pro Baum untersucht.
- Schätzfunktionen ermittelten außerdem die Gesamtartenvielfalt pro Baumart, pro Baumart und Region sowie für unterschiedliche Kombinationen von Baumarten in den drei Untersuchungsregionen.
- Insgesamt wurden 426 Arten zwischen 2010 und 2012 erfasst. Am artenreichsten war die Region Schorfheide-Chorin (SCH: 333 Arten), gefolgt von der Region Hainich-Dün (HAI: 241 Arten) und der Schwäbischen Alb (ALB: 194 Arten). 134 Arten waren exklusiv für SCH, 42 für HAI und 28 für ALB.
- Die Baumarten zeigten deutliche Unterschiede in der Gesamtartenvielfalt über alle Untersuchungsregionen und Bewirtschaftungstypen hinweg mit höchsten Zahlen für die Hainbuche. Unter den Nadelhölzern wies die Fichte die höchsten Artenzahlen auf. Esche und Douglasie waren am artenärmsten (Abbildung 1).
- Auch getrennt für die drei Untersuchungsregionen wies die Hainbuche die höchsten Artenzahlen auf (Platz 1 für SCH und ALB, Platz 2 für HAI, hier war die Vogelkirsche am artenreichsten). Durch ihre hohe Zersetzungsgeschwindigkeit wird sie offenbar sowohl von früh- als auch spätsukzessionalen Arten besiedelt.
- Am artenärmsten in den einzelnen Regionen waren Esche (ALB, HAI) und Douglasie (SCH).
- Eine Kombination unterschiedlicher Baumarten erhöhte die Gesamtartenvielfalt der totholzgebundenen Käfer, was die Baumartenspezifität von Arten belegt. Die Kombination von Hainbuche und Fichte war dabei besonders artenreich (vor allem SCH und ALB). In der Region HAI gehörten neben der Hainbuche, die Rotbuche, die Waldkiefer und die Vogelkirsche zu den artenreichsten Kombinationen. Die meisten gefährdeten Arten traten bei einer Kombination von Waldkiefer, Linde und Vogelkirsche auf.
- Die Artenvielfalt pro Stamm erhöhte sich mit höheren Temperaturen und geringerer Überschirmung im Bestand, nahm aber mit höheren Totholzmengen in der Umgebung geringfügig ab. Die Bewirtschaftungskategorie hatte nur einen indirekten Effekt. Eine geringere Kronendeckung im bewirtschafteten Nadelholz gegenüber Buchenwirtschaftswäldern erhöhte hier die Artenvielfalt. Eine höhere Anzahl an gefährdeten Arten konnte im unbewirtschafteten Wald nachgewiesen werden.
- Nicht nur die Totholzmenge ist für den Erhalt der Artenvielfalt totholzgebundener Käfer wichtig, sondern auch die Totholzqualität. Das Belassen einzelner Stämme von Misch- und Nebenbaumarten kann dabei entscheidender sein als das Belassen großer Mengen der dominanten Baumart und sollte bei begrenzten Ressourcen priorisiert werden.
- Vor allem die Hainbuche wies über alle Untersuchungsregionen hinweg eine artenreiche Käferfauna auf und sollte, wo möglich, als Totholz belassen werden. In Kombination mit Nadelholz (Fichte oder Kiefer) kann die Artenvielfalt nochmals gesteigert werden, wobei gefährdete Arten vor allem in Kombination mit Kiefer auftraten. Aber auch andere Baumarten sind für verschiedenste Spezialisten wichtig, so dass eine Vielfalt an Totholz insgesamt für die Artenvielfalt förderlich ist.
- Die positive Wirkung der Totholzart und -vielfalt war dabei unabhängig vom umgebenden Bestand. Eine Anreicherung von Totholz ist daher wo immer möglich anzustreben. Die Arten finden ihren geeigneten Lebensraum überall.
- Besonders förderlich für die Artenvielfalt war ein möglichst offenes Kronendach, so dass Totholz vor allem in Lücken und an sonnenexponierten Standorten angereichert werden sollte.
- Die Douglasie scheint zumindest hinsichtlich der Totholzfauna die Fichte nicht ersetzen zu können.
- 33 % aller für Deutschland bekannten ca. 1400 totholzgebundenen Käferarten besiedeln frisches Totholz wie es hier untersucht wurde. In den ersten drei Jahren des Experiments wurden 30 % der 1400 bekannten Arten erfasst, so dass von einer weitgehend vollständigen Erfassung ausgegangen werden kann.
- Im Rahmen des BELongDead-Experiments wurden nur Bestände untersucht mit einer Kronendeckung von mind. 55 %. Unter lichteren Bedingungen kann sich die Bedeutung der Baumarten für die totholzgebundenen Käfer möglicherweise hin zu lichtliebenden Baumarten wie Eiche oder Kiefer verschieben.
- Die Ergebnisse sind zunächst gültig für frühsukzessionale Arten. Eine weitere Beobachtung wird Daten über den gesamten Zersetzungszeitraum der verschiedenen Baumarten liefern. Insgesamt haben frühsukzessionale Arten aber eine große Bedeutung im Ökosystem, da sie den Lebensraum für spätsukzessionale Arten und andere Zersetzer, wie Pilze bereiten.
- Im Rahmen des Experiments wurde nur liegendes Totholz berücksichtigt, da dieses im Zuge von Erntemaßnahmen einfacher erzeugt und belassen werden kann als stehendes Totholz.