Die Beziehung zwischen Landnutzungsintensität, organismischer Diversität und akustischer Komplexität
Soundscape-Ökologie ist eine neu entstehende Fachrichtung, die in einem interdisziplinären Ansatz Aspekte der Landschaftsökologie, Psychoakustik, Bioakustik und der akustischen Ökologie vereint. Die Soundscape eines Habitats setzt sich aus Lauten zusammen, die biologischen, geophysikalischen und anthropogenen Ursprungs sind. Die Soundscape-Ökologie untersucht, in wie weit ökologische Prozesse auf Landschaftseben durch die Variabilität der akustischen Vielfalt erklärt werden können.
1. Die akustische Vielfalt eines Lebensraums korreliert mit der organismischen Diversität;
2. Die akustische Vielfalt eines Lebensraums wird durch die Intensität der Landnutzung beeinflusst.
Die Erfassung der Biodiversität ist immer noch eine der größten Herausforderungen bei der Erforschung der Frage: welchen Auswirkungen hat Landnutzungsintensität auf die lokale Vielfalt der Organismen (Sueur et al. 2008). Ziel dieses Projektes ist es daher, Indikatoren für akustischer Vielfalt zu etablieren, um die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Organismengruppen, der Vegetationstruktur und der Landnutzungsintensität zu erforschen. Aktuelle Fallstudien unterstützen die Umsetzbarkeit eines solchen Ansatzes.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden aus den Tonaufnahmen akustische Diversitätsmaße berechnet und mit bereits vorhanden Daten zu den Diversitäten anderer Organismengruppen (Vögel, Insekten, Säugetiere) korreliert. Darüberhinaus wird untersucht, ob die akustische Vielfalt einer Untersuchungsfläche durch Unterschiede in der Vegetationsstruktur und der Landnutzungsintensität zu erklären ist. Dies wäre durch die funktionelle Verbindung zwischen Landnutzungsintensität, Pflanzendiversität und Vegetationsstruktur einerseits und deren Einfluss auf die Komposition der Tiergesellschaften und die Transmissivität andererseits erwartbar.
1. Zeitgleiche Tonaufnahmen in allen drei Regionen der Biodiversitäts Exploratorien (insgesamt: 300 Wald- und Graslandflächen). Die Aufnahmegeräte werden programmiert ein ganzes Jahr lang alle 10 Minuten eine ein-minütige Aufnahme zu machen. Durch die Langzeit-Aufnahmen können tages-und jahreszeitliche Schwankungen erfasst werden, wodurch verschiedene Aspekte der akustischen Diversität (z. B. Dominanz der Vögel vor Sonnenaufgang, Insekten im Sommer) erfasst werden.
2. Berechnung und Validierung der akustischen Indizes mit der Vielfalt verschiedener Organismengruppen. Die Identität und taxonomische Diversität spezifischer organismischer Gruppen wird jedoch nicht aus den Tonaufnahmen abgeleitet. Stattdessen werden die akustischen Indizes mit den unabhängigen Biodiversitätserhebungen der anderen Projekte validiert.
3. Analyse der Interaktion zwischen Landnutzungsintensität und akustischer Komplexität.
Die Berechnung akustischer Indizes basiert auf der Analyse der akustischen Frequenzmuster und bezieht sich auf einen oder mehrere Aspekte des Schalls (Zeit, Frequenz oder Energie). Bisher wurden akustische Indizes erfolgreich in tropischen als auch temperaten Wäldern angewendet und konnten mit der Artenvielfalt von Vögeln, Froschlurche und Zikaden in Bezug gesetzt werden (Sueur et al. 2008, Farina et al. 2011a, Farina et al. 2011b, Pieretti et al. 2011, Depraetere et al. 2012, Sueur et al. 2012, Gasc et al. 2013a, Gasc et al. 2013b). Bormpoudakis et al. (2013) konnten zeigen, dass sich unterschiedliche Wald- und Wiesenhabitate durch akustische Merkmale differenzieren lassen, die wiederum in Bezug stehen zur Vegetationstruktur und der Tierdiversität.
An der Basis der akustischen Frequenzanalyse in der Ökologie steht die Akustische-Nischen-Hypothese (ANH) (Krause 1987), welche vorhersagt, dass Tiere, um Interferenzen mit anderen Arten zu minimieren, ihre Signale im Laufe der Evolution entsprechend angepasst haben. Die Implikationen, die sich aus dieser Hypothese ergeben sind:
a) ein gut etablierter und ungestörter Lebensraum sollte durch eine höhere spektrotemporale Komplexität und Signalvielfalt gekennzeichnet sein als ein kürzlich gestörter (Gage et al. 2001);
b) der Verlust von Arten aus einem “akustisch optimierten” Lebensraum sollte nachweisbare Lücken in der Soundscape hinterlassen (Sueur et al. 2008, Sueur et al. 2012);
c) nicht alle Frequenzen und Klangstrukturen (z.B. Modulationsmuster) sollten in allen Lebensräumen vorhanden sein (Pijanowski et al. 2011).
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