Nahrungsbiologie und Reproduktionsmodus von Oribatiden (Hornmilben) entlang eines Landnutzungs-Gradienten
Asexuelle Fortpflanzung im Tierreich wird üblicherweise als Sackgasse der Evolution angesehen, da die Meiose und damit die Neukombination von Genen unterbleibt. Die Gruppe der Oribatiden enthält Taxa, die trotz asexueller Fortpflanzung seit über 300 Millionen Jahren persistieren und evolvieren. Ungefähr 10 % aller Oribatidenarten sind parthenogenetisch. Oribatiden kommen hauptsächlich im Boden vor und dominieren dort die Mesofauna. Im Boden sind ca. 80 % aller Oribatiden parthenogenetisch, auf Borke von Bäumen im Mitteleuropäischen Tiefland hingegen nur ca. 20 %. Die Ursachen dieser Verteilung aufzuklären, ist Ziel dieser Arbeit und ein wichtiger Schritt zum Verständnis von asexueller und sexueller Fortpflanzung.Scheu und Drossel (2007) erarbeiteten ein Modell, dass den Erfolg von parthenogenetischen Individuen in einer Umwelt mit einem Überschuß an Nahrungsressourcen vorhersagt. Dieses Modell soll geprüft werden. Welches die Nahrungsressourcen von Oribatiden sind, und wie spezifisch Oribatiden diese konsumieren, wurde bisher noch nicht hinreichend untersucht. Dies soll im Rahmen der ‘Biodiversity-Exploratories‘ erforscht werden.
1. Der Anteil parthenogenetischer Oribatidenarten steigt mit zunehmender Landnutzungsintensität.
2. Der Anteil parthenogenetischer Oribatidenarten nimmt mit zunehmendem Nahrungangebot zu.
3. Phytophagie ist sehr häufig konvergent in den evolutionär jüngeren Gruppen der Oribatiden evolviert.
Im Freiland erfolgt die Entnahme von Bodenproben in Wäldern unterschiedlicher Nutzungsintensität und somit unterschiedlicher Streuauflage als Maß für die Ressource. Von den gesammelten Oribatiden werden die Art und das Geschlecht bestimmt. Die Geschlechterverhältnisse werden anschließend mit der Ressourcenmenge korreliert. Zusätzlich wird die Position einzelner Arten im Nahrungsnetz durch die Analyse stabiler Isotope ermittelt. Die Daten werden mit den Daten des Projektes ‘LitterLinks‘ und ‘ModelWeb‘ fusioniert, um das Nahrungsnetz des Bodens entlang eines Landnutzungsgradienten zu modellieren und zu charakterisieren.
Auf Borke wird ebenfalls der Einfluss von Ressource auf die Fortpflanzungsmodi von Oribatiden untersucht. Dazu wird die Ressource durch Düngung mit Kohlenstoff und Stickstoffquellen manipuliert. Die Zusammensetzung der Oribatidengemeinschaften und deren Geschlechterverhältnisse werden nach verschiedenen Zeitabständen ermittelt. Bisherige Untersuchungen von Erdmann et al. (2007) haben gezeigt, dass sich die Oribatidengemeinschaften des Bodens und der Borke bezüglich ihrer Artenidentitäten unterscheiden. Die Oribatiden der Borke sind mit deren Aufwuchs somit mit der Nahrungsressource assoziiert. Dies legt die Frage nahe, ob sich nicht nur die Artenidentitäten zwischen beiden Habitaten unterscheiden, sondern auch die Nahrungspräferenzen der Oribatiden auf Einnischung hindeuten.
Im Labor werden Fraßversuche mit den vom Projekt ‘SoilAlgae‘ bereit gestellten Algenzuchten durchgeführt. Eine jeweils Borke-typische und Boden-typische Alge werden Borke-oder Boden-spezifischen Oribatiden zum Frass angeboten. Die Hypothese ist, dass Oribatiden die für ihr Habitat typische Nahrungsquelle präferieren und eine Einnischung zeigen.
Um im Freiland die Spezifität für Nahrungsressourcen zu testen, wurden in Zusammenarbeit mit Steffen Boch vom Zentralprojekt Botanik Flechten auf Borke besammelt. Geprüft wird, ob die Inhaltsstoffe der jeweiligen Flechtenarten mit den Abundanzen der Oribatiden korrelieren und ob Flechten Stoffe entwickelt haben, die als Repellents gegen Oribatidenfrass fungieren.
Die Interaktion zwischen Ressource und Oribatiden kann ein wichtiger Faktor für deren Evolution, speziell für die Entwicklung arborikoler lichenivorer Oribatiden sein. Die Erstellung eines phylogenetischen Baumes hat gezeigt, dass arborikole Oribatiden über Präadaptationen, wie eine starke Sklerotisierung und sexuelle Reproduktion, verfügen. Die Besiedlung der Borke erfolgte häufig und konvergent in den evolutionär jüngeren Gruppen der Oribatiden. Die Daten zeigen, dass ökologische Faktoren den größten Einfluss auf die mehrfache Besiedlung der Borke durch Oribatiden hatten (Maraun et al. 2009).