Veränderungen in den Prozessen der Bildung von Bodentiergemeinschaften nach starken Störungen
Bodennahrungsnetze sind ein essentieller Bestandteil terrestrischer Ökosysteme und eng mit dem oberirdischen System verknüpft. Bodentiere spielen dabei eine wichtige Rolle als (i) Zersetzer bei der Umsetzung von totem pflanzlichen und tierischen Material, (ii) als Konsumenten von Wurzeln mit direkten Folgen für das Pflanzenwachstum, aber auch als (iii) Bodenarchitekten, indem sie durch Grabtätigkeiten die Bodenstruktur und somit die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen verbessern. Trotz dieser vielfältigen und wichtigen Dienstleistungen für den Boden ist relativ wenig über die Tiere und ihre Interaktionen bekannt, was vor allem an ihrer geringen Größe, ihrer hohen Diversität, aber auch an den Schwierigkeiten sie zu beobachten begründet liegt.
In diesem Projekt verfolgen wir zwei Ziele: Wir klassifizieren die Tiergemeinschaften der Streu-und Bodenschicht in unterschiedlich bewirtschafteten Wäldern und dokumentieren ihre Veränderungen über die Zeit. Aufbauend auf diesen Untersuchungen analysieren wir die Nahrungsbeziehungen von Schlüsseltaxa, ihre trophischen Positionen und ihre Nahrungsressourcen.
- Die Zusammensetzung und trophische Struktur ändert sich nur wenig mit der Zeit, Unterschiede zwischen den Waldnutzungstypen bleiben relativ konstant.
- Zeitliche Schwankungen in der Abundanz nehmen mit Körpergröße und Höhe der trophischen Ebene zu.
Methoden
Bodentiere lassen sich in Makrofauna (Abb. 1) und Mesofauna (Abb. 2) unterteilen, die mittels Hitzeextraktion aus dem Boden und der Streu extrahieren werden. Regenwürmer werden mittels Senflösung aus dem Boden ausgetrieben. Die Diversität sowie Abundanz und Biomasse wichtiger Bodentiertaxa werden erfasst.
Mikroorganismen sind ein wichtiger Bestandteil der Basis des Bodennahrungsnetzes. Daher wird die mikrobielle Biomasse mittels der Substrat-induzierten Atmung (SIR) bestimmt sowie das Fettsäuremuster ermittelt, was Aussagen über die mikrobielle Gemeinschaft zulässt.
- Verschiedene funktionelle Gruppen der Bodentiergemeinschaft reagieren unterschiedlich auf die Schaffung von Waldlücken, wobei Zersetzer am stärksten beeinflusst werden.
- Die Wirkung von Waldlücken auf die Bodentiergemeinschaft unterscheidet sich zwischen verschiedenen Waldtypen/Landnutzungsformen und ist in natürlichen Systemen mit geringem Managementeinfluss am stärksten ausgeprägt.
Methoden
Im Rahmen des gemeinsamen ‚Forest Gap Experiments‘ (FOX) wurden in unterschiedlichen Waldtypen vier Versuchsflächen geschaffen: ungestörter dichter Wald, dichter Wald mit am Boden liegendem Totholz, geschlagene Waldlücke mit liegendem Totholz und geschlagene Waldlücke ohne Totholz. Auf allen Versuchsflächen werden, wie bei der Langzeituntersuchung von Landnutzung, die Bodentiere mittels Hitzeextraktion (Abb. 3) aus dem Boden und der Streu extrahiert und die Diversität, sowie Abundanz und Biomasse wichtiger Bodentiertaxa erfasst. Zusätzlich werden Regenwürmer mittels Senflösung aus dem Boden extrahiert und die Biomasse von Mikroorganismen mittels Substrat-induzierter Atmung (SIR) bestimmt.
- Energieflüsse in unterschiedlich genutzten Buchenwäldern sind ähnlich, unterscheiden sich jedoch zwischen Laub (Buchen)- und Nadelwäldern; dieses Muster ist über die Zeit hinweg konstant.
- Nahrungsnetze sind kompartimentiert; die Energieflüsse durch Meso- und Makrofauna gleichen einander, unterscheiden sich aber zwischen Laub- und Nadelwäldern.
Methoden
δ13C-Signaturen in Aminosäuren unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Synthese-Wege zwischen Bakterien, Pilzen und Pflanzen. Diese Unterschiede bleiben auch in essentiellen Aminosäuren von Konsumenten bestehen, so dass mithilfe einer Fingerprinting-Methode untersucht werden kann ob Bakterien, Pilze oder Pflanzen als basale Resource genutzt wurden. Die relative Nutzung lässt sich mit Mixing-Models quantifizieren. Die trophische Ebene eines Konsumenten im Nahrungsnetz wird mithilfe von δ15N-Werten in sogenannten ‚trophic‘ und ‚source‘ Aminosäuren errechnet; erstere reichern sich im Nahrungsnetz kaum mit 15N an, letztere dagegen stark, so dass aus der Differenz die trophische Position errechnet werden kann.
Komponentenspezifische Analyse von δ13C in Marker-Fettsäuren für Pilzen, Bakterien und Pflanzen kann ebenfalls Aufschluss über Energieflüsse in Bodentiernahrungsnetzen geben; diese Methode komplementiert somit die komponentenspezifische Aminosäure-Analyse.
Hypothesen:
- Der Aufbau von Gemeinschaften sowohl bei Collembola als auch bei Oribatida basiert überwiegend auf Umweltfilterung, die jedoch in Waldlücken stärker ausgeprägt ist als in konsolidierten Wäldern.
- Merkmalsbasierte Ansätze zur Bildung von Collembola- und Oribatida-Gemeinschaften sind in Wäldern stärker ausgeprägt als in (gestörten) Lücken, nehmen aber in Lücken mit der Zeit zu.
Ziel:
- Zum Verständnis wie sich Bodentiergemeinschaften zusammensetzen, sollen Phylogenien für wichtige Arten von Mesofauna-Zersetzern, den Collembola und Oribatida, erstellt werden. Zur Vertiefung des Verständnisses der Mechanismen, die für die Bildung von Gemeinschaften verantwortlich sind, wird der phylogenetische Ansatz mit merkmalsbasierten Ansätzen kombiniert. Zu den Merkmalen, die sowohl aus der Literatur entnommen als auch im Rahmen des Projekts gemessen werden, gehören allgemeine morphologische Merkmale wie Körpergröße und Sklerotisierung, physiologische Merkmale wie Austrocknungsresistenz und Mobilität sowie trophische Merkmale wie trophische Position und trophische Plastizität (wie in früheren Phasen von LitterLinks unter Verwendung stabiler Isotope gemessen). Die Merkmale werden auch auf phylogenetische Signale hin analysiert, um festzustellen, ob die Merkmalswerte durch Verwandtschaft vorhergesagt werden können.
Methoden:
- Phylogenetische Beziehungen werden mittels der Bayes’schen Inferenz sowie der Maximum-Likelihood-Methode rekonstruiert. Die phylogenetische Verwandtschaft der koexistierenden Arten in den lokalen Gemeinschaften wird auf der Grundlage der mittleren paarweisen phylogenetischen Distanz (MPD) und der mittleren nächsten Taxondistanz (MNTD) der lokalen Gemeinschaften analysiert; dies bildet die Grundlage für die Ableitung des Net Relatedness Index (NRI) und des Nearest Taxon Index (NTI).
Im Projekt „LitterLinks“ untersuchen wir die Gemeinschaftszusammensetzung und trophische Struktur von Bodentieren und ihren mikrobiellen Nahrungsressourcen, und wie sie durch Umweltfaktoren sowie Landnutzung, unterschiedliche Waldtypen und Waldlückenbildung beeinflusst werden.
- Wir konnten zeigen, dass die Artzusammensetzung, Abundanz und Biomasse bei Bodentiergemeinschaften stark durch abiotische Faktoren, wie dem pH-Wert des Bodens oder klimatische Bedingungen beeinflusst wird (Bluhm et al., 2016; Pollierer and Scheu, 2017), was die Bedeutung regionaler Umweltbedingungen unterstreicht. Auf unterschiedliche Landnutzungsintensität reagieren die Bodentiergemeinschaften überraschend wenig (Pollierer et al., 2021).
- Mit Hilfe eines umfangreichen methodischen Sortiments, wie z.B. stabile Isotopen-Analyse (Erdmann et al., 2012; Klarner et al., 2017), Fettsäuremusteranalyse (Ferlian and Scheu, 2014; Ferlian et al., 2015), molekulare Darminhaltsanalyse (Günther et al., 2014) und komponentenspezifischer Aminosäure-Analyse (Pollierer and Scheu, 2021), konnten wir Energieflüsse von basalen Ressourcen zu tierischen Konsumenten in verschiedenen Waldtypen auf Art-Ebene nachweisen.
- In Nadelwäldern waren Energieflüsse durch mikrobielle Kanäle etwas stärker ausgeprägt als in Laubwäldern; dabei konsumierten die meisten Arten innerhalb der Mesofauna saprotrophe Pilze und nicht Ektomycorrhiza-Pilze (siehe aber auch Bluhm et al., 2019). Trotz unterschiedlicher Blattstreu und mikrobieller Zusammensetzung (Pollierer et al., 2015) glichen sich die trophischen Nischen von Bodentier-Arten in den verschiedenen Waldtypen, vermutlich weil sie in spezifischen Mikrohabitaten fressen (Ferlian et al., 2012; Pollierer and Scheu, 2021).
- In einem Wurzelausschluss-Experiment konnten wir zeigen, dass der Ausschluss von Wurzel-basierten Ressourcen zu einer starken Abnahme der mikrobiellen Biomasse und der Abundanz und Biomasse von Bodentieren führt, was auf eine bedeutende Rolle dieser Ressourcen für Bodennahrungsnetze hinweist (Bluhm et al., 2019; 2021). Im Gegensatz dazu änderte sich nur wenig an der Gemeinschaftszusammensetzung von Bodenmikroben- und Tieren; die Verbindung zu Wurzel-basierten Ressourcen ist also vermutlich unspezifisch.
- Schon ein Jahr nach Waldlückenbildung konnten wir Änderungen in der Abundanz von Meso- und Makrofauna feststellen. Während die Abundanz Makrofauna-Zersetzern wie Isopoden, Diplopoden und Regenwürmern, in Waldlücken reduziert war, waren die Effekte von Waldlückenbildung auf Hornmilben als wichtige Mesofauna-Zersetzer durch regionale Dynamiken beeinflusst. Im Hainich gab es nur geringe Effekte, während in der Schwäbischen Alb die Abundanzen in Waldlücken reduziert waren; dies konnte jedoch durch Zugabe von Totholz abgemildert werden (Junggebauer et al. in prep). Dies weist darauf hin, dass taxonomische und regionale Unterschiede bei der Betrachtung der Auswirkungen von Waldlückenbildung beachtet werden müssen.
- Unsere Langzeituntersuchungen der Bodentier-Abundanzen, Biomassen und Gemeinschaftszusammensetzungen legen nahe, dass es im Gegensatz zu oberirdischen Arthropoden-Gemeinschaften keinen generell abnehmenden Trend in Abundanz und Biodiversität der Bodentiere gibt. Stattdessen werden Bodentiere eher durch Schwankungen von Umweltbedingungen wie Temperatur und Niederschlag beeinflusst (Pollierer et al., Junggebauer et al., Jueds et al. & Klarner et al. in prep).